Zum vierten Mal fand am Montag in Hamburg der SweetTank der Sternefresser statt. Als Auskopplung aus der “CookTank”-Reihe bringt der SweetTank regelmäßig hochklassige Pâtissiers zum Ideenaustausch zusammen – ein spannendes Forum um über die geschmackliche Zukunft auf den (Dessert)-Tellern, aktuelle und aufkommende Trends zu diskutieren.
Sweet Tank: Die Themen
Die Entwicklung weg von schweren und mächtigen Kreationen als Menü-Abschluss hin zur Verarbeitung von Zitrusfrüchten und Gemüsen hat nun schon vor ein paar Jahren eingesetzt und sich mittlerweile im Dessertbereich durchaus etabliert. Dass die Entwicklung weitergeht – auch über das Gewohnte hinaus – zeigen die Desserts beim SweetTank unter dem Motto “Hinterm Gemüse gehts weiter – ungewöhnliche Zutaten im Dessert”: Entenleber, Trüffel, Hefe, Bittersalate und Rotkraut, Austernwasser, Kräuter und Schwarzwurzel, Laub und Fichtennadeln – alles keine Tabuthemen, dennoch für den ein oder anderen Gast und auch Chef durchaus grenzüberschreitend.
Die junge und innovative Pâtissier-Elite ist sich ebenso wie der ausgewählte Gäste- und Journalistenkreis einig: die Weiterentwicklung ist famos, wir möchten das alle auf dem Teller haben – in der ein oder anderen Abstufung. Dass die meisten Restaurants solcherlei Desserts (noch) nicht als einzige Alternative in ihren Menüs servieren können, darüber ist man sich allerdings auch schnell einig. Umso wichtiger, auch die etablierten Richtungen weiterzuentwickeln und zu modernisieren, passend dazu das Wildcard-Thema des Tages: “No death by chocolate” – für leichtere und innovative Schokoladen-Desserts.
Was ist eigentlich ein Dessert und wer legt fest, was hinein darf und was nicht? Süße ist ein Kernfaktor, auf den der Gang hinaus läuft – hierfür bricht Christian Hümbs in der Diskussion eine Lanze und erntet Zustimmung. Woraus die Süße gewonnen wird allerdings – sei es die Pastinake, die Leber oder die Schokolade – das sollte doch ganz gleich sein, oder?
An dieser Stelle herzlichen Dank auch an Carine Patricio, Sommelière aus dem Jellyfish, die zu jedem der Desserts eine fantastische Weinbegleitung präsentiert hat. Da waren ein paar sehr außergewöhnliche Entdeckungen dabei! Die Trend Küche von Guido Weber bot dem Event einen hervorragenden Rahmen.
Sweet Tank: die Desserts
Christian Hümbs
Haerlin, Hamburg
2* Michelin, 18 Punkte Gault Millau
Wald – Nadeln, Buchweizen, Schwarzwurzel, Birne und Trüffel
Den Anfang macht Christian Hümbs beim SweetTank und serviert seine Interpretation von „Wald“ in einer offenen Glaskugel, die auf optisch ansprechende Weise die „Essrichtung“ des Desserts vorgibt. Alle Sinne will Hümbs, der bekannt ist für seine Kreationen mit Ingredenzien aus Wald und Wiese, ansprechen: Optik, Geruch, Geschmack und auch das Gehör. Tatsächlich raschelt und knuspert es wie ein herbstlicher Blätterwald als die ersten süß-knusprigen Blätter unter dem Löffel brechen und die Bahn zum Fichtennadel-Sorbet freigeben. Erdigkeit und Säure, leichte Bitterness, grüne und sehr frische Aromen durchmischen sich auf jedem Löffel anders. Die Birne liefert eine angenehme Fruchtigkeit und Süße, die bleibt aber immer dezent. Ein unglaublich komplexes Dessert, das vom Gast sicher eine gewisse Offenheit voraussetzt – ich fand es grandios.
Roman Hütter
Taubenkobel, Schützen am Gebirge
18 Punkte Gault Millau
Bittersalate, Schlehe, Entenleber & Rotkraut
Wüsste man es nicht besser, würde man diesen perfekt und leuchten rot glasierten Chicorée auf dem Teller wohl kaum als Dessert einstufen. Was Roman Hütter aus dem Taubenkobel am Neusiedlersee mitgebracht hat, ist ohne Konventionen gedacht und hat mit einem Dessert der klassischen Küche kaum mehr etwas gemein. Viel mehr schlägt es zum Schluss eine süßliche Brücke zum vorausgegangenen Menü – zum Beispiel zum Rotkraut im Hauptgang oder der Entenleber in der Vorspeise. Was wie ein unberührter Chicorée aussieht ist gefüllt mit mit leuchtend violettem Schaum, etwas Entenleber und umgeben von einem fein-herb-süßen Sud. Polarisiert bestimmt, mir vielleicht für ein Dessert sogar ein bisschen zu groß bzw. mächtig – schmeckt aber einfach fabelhaft und überraschend.
Ein Aspekt auf den wir an diesem Punkt des Nachmittags kommen: was ist für jeden ganz persönlich eigentlich ein Dessert und ist es nicht am wichtigsten, einen Gang vor sich stehen zu haben, der einfach gut ist? Gar nicht mal so leicht, sich von seinen eigenen Definitionen von „Dessert“ zu lösen.
Matthias Spurk
Gästehaus Erfort, Saarbrücken
3* Michelin, 19,5 Punkte Gault Millau
Grüner Apfel mit Auster, Joghurt und Dill
Eines meiner Lieblings-Desserts des Tages war das von Matthias Spurk, wenn auch das Austernwasser und die damit verbundene Salzigkeit wegen mir hätte gerne noch präsenter sein dürfen. Wie ein zartes Wölkchen kommt der weiße, gefüllte Ring auf dem Teller daher, flankiert von Perlen aus Apfel und Austernwasser. Zu Äpfeln, erzählt Spurk, habe er ein ganz besonders Verhältnis und wegen eines eigenen Apfelhofs zu Hause viele Kindheitserinnerungen. Dass er damit gerne arbeitet, schmeckt man: die Frucht ist subtil und genau im richtigen Maß zwischen Süße und Säure herausgearbeitet. Dazu ein Sorbet mit Gurke, Joghurt und Dill: herrlich.
Daniel Ilies
The Table, Hamburg
3* Michelin, 17 Punkte Gault Millau
Meine Lieblings-Aromen aus Asien
Schließt man die Augen und probiert einen Löffel von Daniel Ilies Eis sitzt man in Bangkok in einer Straßenküche und isst eine fantastische Tom Kha Suppe – nur ein bisschen kalt ist sie geraten. Dazu die scharfen Curry-Tupfen: das ist ein Hammer. Hühnerhaut, Mango, Sushi-Reis und Norialge: wow. Die Kalamansi-Ganache in der Mitte ist ebenso hervorragend, für mich allerdings ein bisschen zu mächtig. Ein paar Tupfen davon hätten mir persönlich in der Kombination genügt.
Fabian Fiedler
Aqua, Wolfsburg
3* Michelin, 19 Punkte Gault Millau
Quitte, Ingwer, Getreide, Fichte, Original Beans Schokolade
Fabian Fiedler kommt aus der Schule von Christian Hümbs und ist seit nun drei Monaten im Aqua. Er experimentiert gerade mit verschiedenen Quittensorten, erklärt er. Die Essenz davon dürfen wir in seinem Ragout von der Zierquitte und Quittenbrot verkosten. Außergewöhnlich ist der leicht erdige Getreide-Schaum auf dem Fichtennadelgranitée, die Tropfen aus 100%iger Original Beans Schokolade sind mit gefriergetrocknetem Fichtenpulver bestäubt. Ein sehr komplexes Dessert mit viel Säure und Frische.
Unbedingt zu erwähnen sind an dieser Stelle auch die sensationell filigranen und köstlichen Pralinen von Jasmin Enzler aus dem Aqua-Team.
David Mahn
Ammolite, Rust
2* Michelin, 16 Punkte Gault Millau
Süßholz, Gänseleber, Muscovado, Gerste, Sanddorn
Da ist sie wieder, die Leber, diesmal von der Gans. Ganz dezent kommt sie auf diesem Teller daher – das kommt mir persönlich zwar entgegen, in der Gesamtkomposition dürfte sie aber ruhig noch etwas präsenter sein. Zusammen mit Süßholz, Muscovado-Zucker, Gerste und Sanddorn eine ausgefallene Kombination, die von dunklen und tiefen Aromen dominiert ist – der Sanddorn mit seiner eindringlichen Säure spielt da eine wichtige Rolle.
André Siedl (Wildcard)
Ecco, Zürich
2* Michelin, 17 Punkte Gault Millau
Felchlin Cru Cuba-Schokolade, Sauerkirsche, Tonkabohne
Das Thema zum Gewinnen einer Wildcard lautete “No death by chocolate” – also zeitgemäße, nicht zu schwere Schokoladendesserts. André Siedl aus dem Ecco in Zürich richtet effektstark an: sein herrliches Sorbet aus Sauerkirsche und Tonkabohne kommt aus dem flüssigen Stickstoff und ist ein schöner Kontrast zum intensiven Dom aus Felchlin Cru Cuba-Schokolade.
Christoph Vejdovsky (Wildcard)
Herrmanns Posthotel, Wirsberg
1* Michelin, 16 Punkte Gault Millau
Cru Udzungwa, fränkische Jackfruit und 7 Pot Chocolat Chili
Christoph Vejdovsky reist nicht nur mit einer Wildcard, auch mit dem hauseigenen Food Hunter von Herrmanns Posthotel Jörg Oßwald. Immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Zutaten und Bezugsmöglichkeiten vor Ort arbeitet das Posthotel mittlerweile mit einem fränkischen Tropenhaus-Projekt zusammen: Jackfruit und Chili für das Dessert kommen also quasi aus eigenem Anbau. Die aus Schokolade nachgebaute Chilischote ist in der Tat angenehm scharf, die süß-fruchtige Jackfruit bildet hierzu einen schönen Kontrast.
Mario Barros
Librije’s Zusje, Amsterdam
2* Michelin, 17 Punkte Gault Millau
Trüffel & Hefe
Nach ein paar logistischen Anlaufschwierigkeiten konnte Mario Barros sein Dessert leider nicht genau wie geplant servieren. Dennoch: die Idee von “Trüffel & Hefe” mit einem Baguette-Schaum und im Ofen gebackenem Eis wird klar. Die Hefe ist sehr präsent, für mich mehr als der Trüffel. Zum Verkosten der geplanten vollständigen Version ergibt sich hoffentlich einmal eine andere Gelegenheit.
Danke an die Sternefresser für die Einladung zu einem rundum gelungenen und interessanten Event!