Vor drei Wochen bin ich in den Zug gestiegen und zu einem Blind Date zu fahren, oder sowas ähnlichem. Der deutsche Wein und ich, wir mögen uns und haben uns durchaus schon kennengelernt, aber sein Zuhause hatte er mir bisher noch nicht so oft gezeigt. Der Riesling, der Silvaner oder auch der Spätburgunder.. hatte ich gesagt ein Blind Date? Genauer waren es mehrere. Viele sogar in wenigen Tagen und ich muss zugeben: ich kann mich nicht entscheiden. Ich werde den Herren Rebsorten und ihren Heimat-Weinbergen und Regionen wohl noch den ein oder anderen Besuch abstatten müssen, bevor ich mich in den ein oder anderen besonders verliebe – ziemlich verguckt habe ich mich nämlich schon auf den ersten Blick. In Franken, die Pfalz, Rheinhessen und den Rheingau.
Einen keinen Vorteil hatte der Silvaner in Franken schon – wenigstens hatte ich seine HotSpots schon mal ganz flüchtig bereist, in Würzburg die Main-Brücke mit einem Gläschen (nicht unbedingt repräsentativem) Wein begossen und einen Abstecher nach Frickenhausen gemacht. Das war schon advanced-blind-dating, Frickenhausen muss man nämlich suchen – aber das ist wohl einfach so mit den Schönheiten. Einmal angekommen hatte das Dörfchen mit seinen Gässchen, Häuschen und Gärtchen mich sofort um den Finger gewickelt, also nichts wie nochmal hin, nach Frickenhausen.
Franken und der Silvaner haben in der Tat ihr bestes getan, mich in ihrer Familie auf das herzlichste aufzunehmen. So sehr, dass es jedes andere Date recht schwer haben könnte, denn mein Herz hat viel Platz gemacht, als ich um eine kleine versteckte Ecke herum auf den Hof der Vinothek des Weinguts Bickel-Stumpf gefahren bin.
Was sich bodenständig und nach viel Tradition anhört ist es auch – und auch wieder nicht. Hat Franken doch einen – leider nicht immer positiv belegten Ruf als Land der Bocksbeutel mit mitunter farblosem Touri-Inhalt – ist es natürlich nur logisch, dass es diese Bocksbeutel auch in gut gibt. Und nicht nur in gut, sondern auch in ganz fantastisch. Und man glaub es spätestens wenn man dort war (..dringende Hinfahr-Empfehlung): es gibt auch Wein (und ja, auch Silvaner) ohne Bocksbeutel, und der schmeckt mindestens genauso gut. In jedem Kopf mag das noch nicht angekommen sein, wird es aber, da bin ich sicher. Hier, wie in allen deutschen Regionen, leben und arbeiten so viele ambitionierte, fachkundige Winzer mit modernem Blick auf die regionale Weinkultur, dass nicht nur hervorragende Qualitäten, sondern auch überaus spannende Tropfen in die Flaschen kommen – ohne dabei die Tradition über den Haufen zu werfen.
Zurück zum Weingut Bickel-Stumpf, das ist dort, wo ich mein Herz verloren – oder sagen wir einmal geparkt habe, bis ich wieder komme nämlich. Dann besuche ich es und lasse es vermutlich wieder dort. So ging es glaube ich auch Carmen Bickel und Reimund Stumpf im Jahr 1976. Jeder verlor sein Herz im Weingut des anderen und für den anderen – ein Teil lag fortan in Frickenhausen und der andere in Tüngersheim, etwa 35km weiter den Main nach oben. Eine Fusion musste es sein, von Herz und Wein – und fortan gab es ein Weingut Bickel-Stumpf, statt zuvor Bickel und Stumpf. Mittlerweile haben ihre beiden Kinder Melanie und Matthias das Ruder im Weingut übernommen. Und da will noch jemand sagen, ich hätte einen besseren Platz für mein Wein-Herz finden können.
Aber nicht nur zwei Herzen, auch zwei Böden haben 1976 zusammen gefunden. Um ein ganz rudimentäres Bild zu zeichnen: In Franken herrschen drei Bodenbeschaffenheiten vor, die sich grob alle drei vertikal nebeneinander von Nord nach Süd ziehen. Ganz im Westen der Buntsandstein, in der Mitte der Muschelkalk und im Osten der Keuper. Das Weingut Bickel-Stumpf hat mit seinen Lagen in Tüngersheim sowohl den Buntsandstein, als auch den Muschelkalk in Frickenhausen in Keller und Flasche. Das bietet nicht nur die Möglichkeit zur Verbindung der beiden Terroirs, sondern insbesondere die schöne Option, die Besonderheiten der Böden im selben Wein aus dem selben Keller herauszuarbeiten. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich eine Probe der Bickel-Stumpf Silvaner von Muschelkalk und Buntsandstein im Vergleich in keinem Fall entgehen lassen.
Für eine Übersicht des gesamten Sortiments würde ich sehr gerne auf die Website des Weinguts verweisen. Erwähnt seien dabei nicht nur echte Klassiker wie der Silvaner Kapellenberg Erste Lage oder das von Presse und Kritikern verwöhnte Mönchshof Silvaner Großes Gewächs, sondern auch hochspannende Würfe wie der spontanvergorene “barfuß”. Und natürlich der Secco, und die Scheurebe, und überhaupt.
Was bleibt also zu sagen? Das Schlusswort überlass ich Melanie Stumpf-Kröger, die zusammen mit ihrem Bruder Matthias und ihren Eltern einen fantastischen Job macht mit dem fränkischen Wein – für den fränkischen Wein.
1. Wie wäre dein Leben ohne Wein?
“Das Weingut ist meine Heimat, dort liegen meine Wurzeln, hier fühle ich mich aufgehoben. Beim Wein ist das so, dass es einfach schon immer zu meinem Leben dazugehört hat. Die Weinkultur wird bei uns intensiv gelebt.”
2. Was ist das Besondere an der Region Franken im Allgemeinen – und am fränkischen Wein im Speziellen?
“Franken ist besonders reizvoll, weil es besonders abwechslungsreich ist. Unsere Weingebiete ziehen sich von Aschaffenburg bis fast nach Bamberg. Klar ist das alles Franken, aber die Landschaft und die Menschen sind schon sehr unterschiedlich und so auch die Weine. Eine Verbindung gibt es: die Bodenständigkeit und die Bescheidenheit. Franken sind brave Winzer, die oft einen tollen Stoff in die Flasche bringen. Die Show liegt den Franken nicht so.”
3. Wo siehst du den fränkischen Wein in 10 Jahren?
“Ich persönlich glaube, dass es in den kommenden Jahren noch viele junge Winzer geben wird, die auf ihren Lagen richtig Gas geben. Da wird noch einiges kommen und ich denke, dass Franken damit für die Zukunft besonders gut aufgestellt ist.”
4. Welcher Eurer Weine ist dein persönlicher Liebling und warum?
“Es ist der Silvaner Kapellenberg Erste Lage. Ich liebe seine Ursprünglichkeit und Tiefe.”
5. Wenn du keinen Euerer Weine im Glas hast, und vielleicht auch keinen Franken-Wein, was trinkst du dann am liebsten?
“Gereifte Moselrieslinge sind was wunderbares.”