Es ist kalt als ich in Stuttgart aus dem Zug steige und der Himmel weint als gäbe es kein Morgen mehr, oder als könnte er einen guten Drink vertragen. Auch während der Autofahrt Richtung Süden zur Stählemühle beruhigt er sich kaum, der idyllische Hof mit den vielen Obstbäumen sei uns also an jenem Tag nur von seiner verregneten Seite vergönnt. In der Scheune wärmen wir uns erstmal auf: Monkey 47 im Tonbecher mit ordentlich Eis und Tonic, dazu eine heiße Maultaschensuppe helfen Wunder.
Am Zielort der Reise begrüßt uns Christoph Keller, der Meister-Destillateur (Silber, Edelbrenner des Jahres 2013, Gault Millau), der vor einigen Jahren seinen Kunstbuch-Verlag in Frankfurt Verlag und die große Stadt Stadt sein hat lassen und in die Nähe des Bodensees zog – auf das Gut, das ein paar Brennrechte im Gepäck hatte. Soweit so gut, ein bisschen Brennen schadet nicht – und schade um die Brennrechte wäre es obendrein gewesen. Was dort entsteht und in Flaschen gefüllt wird ist sagenhaft, ich hatte ja im letzten Jahr die Freude, mit Christophs Destillaten zu kochen.
Zum Glück aber blieb neben der Verarbeitung von Kräutern, Beeren und anderen spannenden Gewächsen noch Zeit, Alexander Steins Anfrage positiv zu beantworten. Der nämlich hatte die Idee zu dem Gin, der mittlerweile aus keiner guten Bar (und längst auch aus keiner Hausbar, die etwas auf sich hält) wegzudenken wäre: Monkey 47 brauchte einen Brennmeister, und zwar den besten.
Rezeptentwicklung, Zutatenauswahl, Beschaffung der mitunter seltenen Kräuter, Blüten und Gewürze: einen so hochwertigen Gin brennen, ist mehr als das Aufkochen von Alkohol mit Wacholder. Viel mehr, wie wir lernen und selber riechen, schmecken (und mischen) dürfen. Ein bisschen erstaunt sind wir schon: weiß man zwar, dass der Monkey 47 ein handwerkliches Produkt ist – die vielen Arbeitsschritte live zu sehen lässt einen den Gin Tonic im Becher dann aber doch mit noch einem Quäntchen zusätzlichem Respekt genießen.
Jeden Morgen werden frisch Zitronen und Orangen geschält, die Zitrus-Noten gehören zu den eindringlichsten im Monkey. Natürlich auch Preiselbeeren, die baden bereits eine Weile in blauen Plastiktonnen, bevor wir die Mischung aus unzähligen Kräutern und Gewürzen hinzu geben. Geschredderter Wacholder (übrigens nicht mit den harten, geschmacklosen Kugeln zu vergleichen, die sich ins Sauerkraut verirren), Koriander, Fichtensprossen, Lavendelblüten…
… man kann sich ungefähr vorstellen, wie gut es riecht, die Nase über so eine Tonne zu halten. Oder die Mischung gar zu erwärmen, vielleicht sogar in einem großen, großen Kupferkessel.
In dem kleinen Raum der Mühle, in dem die Verwandlung von Gewürzansatz nach Gin passiert, vernebelt einem den Blick. Nicht etwa der Alkohol, sondern der Dampf in der Luft – und dieser Duft! Es brodelt und dampft, wird gekühlt und kondensiert – was heraus kommt wissen wir: in einem klaren steten Strahl (bei dem im Übrigen Anfang und Ende genau nicht mit in die Flasche kommen) fließt Milliliter um Milliliter von Kupfer in Stahl.
Wir verlassen die Stählemühle mit geschmeichelten Sinnen. Geschmack ist transportierbar, in die Flasche und nach Hause. In der Nase und am Gaumen riecht und schmeckt man die große Konzentration der hocharomatischen Zutaten einer Spirituose. Ein Produkt in seinen Grundzutaten zu sehen und die Verarbeitung nachvollziehen zu können, geht noch einen Schritt weiter. Nicht nur die Anerkennung des Handwerks an sich, auch all dessen, was eingeflossen ist, zeichnet so ein noch schärferes Bild (vernebelte Sicht hin oder her).
So sitzen wir am Abend mit einem (oder zwei?) Gin Tonic zusammen, lassen die Eiswürfel im Tonbecher leise klackern und philosophieren über den Gin in der Geschichte (wo man ihn bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen kann und er in England zwischenzeitlich zu breiteren Diskussionen und Verboten Anlass gab) – und das Tonic, das wegen seinem hohen Chinin-Gehalt ja zunächst Mal eigentlich nur der Malaria-Prophylaxe wegen zugesetzt wurde.
Zum Glück schreiben wir 2014 in Stuttgart, auch den dritten Gin macht uns niemand streitig, der Affe hält still, grinst vom Briefmarkenetikett und zieht seinen Hut.
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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wow, grossartiger Bericht!! Ich wäre zu gerne auch da gewesen :)
Hhmm… nur das Schweppes würde ich wohl austauschen ;)
danke Marco :)
übrigens: von der Tonic-Frage hatten wir es an dem Tag auch. Wie Christoph richtig angemerkt hat gibt es kein einziges nicht künstlich hergestelltes Tonic. Die Varianz liegt damit lediglich im Zuckergehalt – und im Labeling. Das passt dann dem einen mehr oder weniger von der Süße her, macht aber im Endeffekt keinen wirklichen Unterschied. Insofern bin ich mittlerweile sogar wieder etwas mehr beim Schweppes als vorher.
liebe Grüße
*annette
Wie cool. Das hab ich mir bisher nur einmal beim Duke hier in München angeguckt. Aber ich glaub der Mokey ist dann noch mal ne ganz andere Liga.