Ich hatte noch nie ein Buch in der Hand, das so sinnlich mit Lebensmitteln umgegangen ist. Das geradezu eine Ode schreibt an die Sinnlichkeit des Koches, Duft, Geschmack, Textur, Qualität essbarer Produkte. Bei dem ich dachte „ja, endlich (!) hat mich jemand verstanden“. Danke, Mr. Slater, für dieses wahnsinnig tolle, verführerische, behutsame und faszinierende Buch: Tender. Gemüse: Von der Aubergine bis zur Zwiebel (aber durchaus nicht ohne Fleisch und Fisch – dies ist kein vegetarisches Buch).
Ich glaube: man kann sie lesen, meine Euphorie. Ich habe das Buch vor mir, aufgeschlagen. Ich bin auf Seite 32 von 625. Und ja, ich traue mir das Urteil jetzt schon zu: das Buch ist eines der besten, das ich in Sachen Kochbuch jemals in der Hand hatte (unnötig zu erwähnen, dass es schon einige Kochbücher durch meine Hände geschafft haben, ein weiteres dieser seltenen anhimmelswürdigen Riege ruht auf meinem Kochbuchregal und wird demnächst ebenfalls den Weg auf den Blog finden).
Der dunkel gehaltene Umschlag des relativ dicken Wälzers gibt sich geheimnisvoll, auf der ersten erste findet sich nur eine Definition von tender. Wo wir wieder bei der Sinnlichkeit sind. Von Gemüse und einem Wörterbuch-Eintrag. Der da nämlich von der Zartheit einer reifen Feige oder eines zubereiteten Bundes Spinat spricht. Von Weichheit, Mürbheit, Empfindlichkeit und zarter Natur. Von vorsichtiger Behandlung, Zartheit und Einfühlungsvermögen. Eine der schönsten und treffendsten Umschreibungen der Liebe zum Essen, die ich je gelesen habe.
Schon ganz zu Anfang, als Nigel Slater seinen Gemüsegarten, seine Intention dahinter und seine Leidenschaft dafür erklärt, schreibt er mir mit seiner Beschreibung zweierlei Arten von Köchen aus der Seele – wohlgemerkt ohne den einen oder anderen dabei zu verurteilen, er sagt, jeder der beiden würde in seinem Buch hoffentlich fündig. Es gäbe den „“Husch-husch-fertig“-Koch“, sagt er, denjenigen nämlich, der nur koche, um etwas magenfüllendes auf den Tisch zu bringen. Es gäbe auch auch, und das sei die andere Sorte, „denjenigen, der Freude daran hat, einen Kohlkopf Blatt für Blatt zu entfalten, mit der Hand über die raue Schale eines Boskop-Apfels zu streichen oder an einer frisch aufgeschnittenen Zitrone zu riechen.“ (Seite 29) Eine Person also, die den Duft der Zutaten ebenso genieße wie die Auswahl des Kochgeschirrs und das Gefühl das Essen in der Hand zu halten und zuzubereiten. Ganz genau.
Das erste Kapitel behandelt die Aubergine. Die Einführung zum Gemüse lässt weder botanische Beschreibung, noch Geschmack, Anbau, beliebte Zubereitungsweisen, passende begleitende Zutaten, noch Zusatz-Informationen über die vielseitige Verwendbarkeit aus. Wer bei diesem Kapiteleinstieg, der von der weichen Zartheit der auf der Zunge zergehenden Auberginen spricht, die gebacken, fast geschmolzen, kräftigen Aromen von Zimt, Kreuzkümmel und goldenen Sultaninen daher kommt und geheimnisvollen Duftnoten umhüllt ist, keine Lust auf Auberginen verspürt – dem kann dann wirklich niemand mehr helfen. Ich jedenfalls kann mich kaum halten. Morgen gibt es Auberginen…
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So, der Abend ist spät, das Buch ist durchgeblättert, angelesen. Es gibt morgen nicht nur Aubergine, auch Topinambur. Und vielleicht auch noch ein paar gebackene Tomaten. Ich habe noch mehr über Nigel Slater erfahren, auf meinem Weg durch die über 600 Seiten: Auch wenn es zu Anfang den Eindruck erwecken mag – Tender Gemüse ist kein vegetarisches Buch. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl Mr. Slater hat eine ausgeprägte Vorliebe für Speck, Panchetta und Entenfett – macht sich offenbar (und gut vorstellbar) herrlich zu den verschiedenen Gemüse-Sorten. Weitere Erkenntnis: ich muss mehr verschiedene Gemüse auf verschiedene Arten zubereiten. Schmoren, backen, dünsten, braten, stampfen, roh probieren.. die Varianten sind ja unerschöpflich. Und auch schön: Die Rezepte sind allesamt recht einfach gehalten, konzentrieren sich auf wenige, wesentliche Zutaten, den puren Geschmack durch die Zubereitungsmethoden. Ein bisschen Olivenöl hier, ein wenig Zitronensaft da, frischer Ziegenkäse hier, ein paar Kräuter dort. Fabelhaft.
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Topinambur-Salat frei nach dem ohnehin schon freien Rezept von Nigel Slater:
Topinambur schälen und mit dem Sparschäler in dünne Scheiben schneiden. Mit viel Zitronensaft, jeweils einem Schuss Olivenöl und Walnussöl sowie Meersalz und Pfeffer würzen. Frische Kräuter hacken und ebenfalls untermischen (im Buch Petersilie, bei mir Koriander).
Auberginen-Püree mit Sesampaste – Moutabal
2 große Auberginen rund herum einstechen, im Ofen unter dem Grill rösten bis sie außen verkohlt und innen weich sind. Leicht auskühlen lassen, das Fruchtfleisch heraus schaben, mit dem Saft einer Zitrone, 2 zerdrückten Zehen Knoblauch, 2 EL Tahina und EL Olivenöl vermischen. Himmlisch.
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wunderbar, eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Ich habe auch die Obst-Ausgabe die ebenso sinnlich, schön, lesenswert ist! Viel Spaß beim Nachkochen und Schmökern!
danke Julia!
ich denke das Obst Buch wird nicht lange vor mir sicher sein.. ;) Liebe Grüße und schöne Weihnachten
*annette