Im Wein lernt man nie aus. Ich sowieso nicht, denn ich bin kein gelernter Experte und im Weingut (oder Berg) aufgewachsen bin ich bedauerlicherweise auch nicht. Im Hotel war es aber auch nicht schlecht – im Gegenteil. So freue ich mich immer wieder, die Gelegenheit zu haben, mit dem Glas in der Hand zu lernen, neues zu erschmecken und zu verstehen, warum es duftet wie es duftet, schmeckt wie es schmeckt und was das Besondere daran ist. Im nächsten Schritt zu überlegen, zu welcher Speise es noch dazu schmeckt ist auch ein spannendes Thema. Überhaupt ist der Themenkosmos Wein nach meinem Empfinden geradezu unerschöpflich, und deswegen so erquickend. So war es mir auch ein besonderes Vergnügen, in diesem Jahr zum ersten Mal die ProWein zu besuchen – denn dort ist ja mal wirklich viel Neues zu entdecken, um nicht zu sagen zu viel für 3 Tage. Das macht aber nichts, kann man sich doch ein paar interessante Geschmacksinseln heraus picken und den Rest für die nächsten Jahre übrig lassen.
Ganz besonders habe ich mich über die Einladung an den Stand von Puklavec & Friends gefreut, die sich für mich Zeit für ein Archivwein-Tasting nahmen. Die Einleitung hat es schon vorweg genommen: ich habe meinen Wein-Horizont erweitert und es war ziemlich aufschlussreich (und um das nicht zu kurz kommen zu lassen: ein echtes Geschmackshighlight).
Nun ist der ProWein Besuch (Ende März) ja schon ein Weilchen her, das macht aber speziell in diesem Fall überhaupt gar nichts. Denn die Weine bei diesem Tasting hatten durchaus schon ein paar Jährchen auf dem Buckel (bzw. im Keller hinter sich – im Archivkeller genauer gesagt). Da kam es jetzt auf die drei Monate wirklich nicht mehr an. Erstaunlich, dass mir die Weine noch auf der Zunge liegen als wäre es gestern gewesen, so nachhaltig beeindruckt hat mich dieses, für mich tatsächlich völlig neue, sensorische Erlebnis.
Gute Rotweine werden ja gelagert und gesammelt, das ist gemeinhin bekannt oder jeder Halbwegs-Weinkenner hält einiges auf seine gesammelten Kellerwerke von Brunello bis Rioja. Dass auch der Weißwein durchaus Potential zur Lagerung hat und sich da ganz fantastische Geschmackserlebnisse in der Flasche sammeln ist (wenigstens nach meinem Verständnis) weniger bekannt, vielleicht auch weniger beliebt. Wie dem auch sei – ich finde das sollte sich ändern und neben einigen gereiften Rieslingen, die ich schon zuvor kosten durfte, bin ich nun auch in den Genuss der gereiften Slowenischen Weißweinwelt gekommen.
Der Archivweinkeller von Puklavec & Friends im Nordosten von Slowenien (genauer im Gebiet Jeruzalem-Ormož) besteht seit 1959. Die perfekten Wetterverhältnisse in jenem Jahr hatten den damaligen Kellermeister Jože Šnajder dazu veranlasst, eine gewisse Menge der produzierten Weine einzulagern – und abzuwarten, was passiert. Diese Tradition führt das Weingut bis heute fort, kaum ein Jahr, in dem keine Weine “zur Seite” gelegt werden. Persönlich war ich noch nie in Slowenien, habe mir aber sagen lassen, dass Hügel und Terrassen das Landschaftsbild bestimmen. Geographisch liegt das Weinbaugebiet der Puklavecs auf der selben Breite wie das Burgund.
Nun aber zu den Weinen (von denen ich übrigens mindestens einen am liebsten sofort ungeöffnet mitgenommen hätte um ihn noch weiter in meinem eigenen Keller zu bunkern). Gemeinsam – und das war für mich vielleicht die überraschendste Erkenntniss dieser Verkostung – hatten alle Weine (Jahrgänge 1969 – 1983) eine spürbare, ja sogar deutliche Frische. Auch die Spät- und sogar die Trockenbeerenauslese.
Begonnen haben wir mit einem 1981er Sauvignon Blanc. Eine meiner Lieblingsrebsorten in so einer Vielschichtigkeit zu verkosten war mir eine besondere Freude. Zwar sind Frische und Säure deutlich präsent, die Aromen gewinnen aber offenbar mit den Jahren an Gewicht und individualisieren ihren Charakter. Grüne Paprika und Kräuter umspielen weitere Nuancen von trockenen Früchten und sogar ganz feiner Rauchigkeit.
Weiter ging es mit einem 1971er Welschriesling, der teils in ungetoasteter Eiche ausgebaut wurde. Getrocknete Früchte und Honignoten vom Holz geben ein wunderbar harmonisches Geschmackserlebnis mit der immer noch kräftigen Säure und Intensität des Weins ab. Sicher ein Zusammenspiel, das so nicht oft seines Gleichen findet.
Weiche und zugleich würzige Noten von Honig und Kräutern, aber auch fruchtige Apfelaromen verströmt der älteste der verkosteten Weine, ein 1969er Muscat Ottonel. Auch er hat einige Zeit im Holz verbracht, die Spuren davon sind aber sehr subtil und keineswegs in den Vordergrund drängend. Am Gaumen beeindrucken klare Aromen von getrockneter Aprikose, leichtem Karamell und ebenfalls Kräutern. Die sehr lebendige Säure ist hier – bei dem bereits 34 Jahre “alten” Wein – besonders bemerkenswert.
Präsente Säure und Frische gilt auch für die beiden süßen Weine, die wir zum Schluss kosten. Die 1983er Pinot Blanc Spätlese (von der ich mir aus bestimmten Gründen womöglich noch eine zulegen muss) erfreut allein schon mit ihrer intensiv goldenen Farbe im Glas. Der Ausbau im Holz hat ihr deutliche Vanille und Honig-Noten beschert, die lange Reifezeit die betörenden Aromen reifer tropischer Früchte und exotischer Gewürze beflügelt. Die perfekt balancierte Frische und Saftigkeit machen diesen Wein rund und für mich perfekt. Muss ein toller Jahrgang gewesen sein, dieses 1983.
Bei der Furmint Trockenbeerenauslese aus dem Jahr 1976 ist der Kontrast zwischen Süße (immerhin ganze 140g Restzucker) und Säure am größsten, sie wirkt trotz ihrer großen Dichte immer noch erfrischend. Zu den auch in der Spätlese schon deutlichen Frucht und Honig-Aromen kommen hier Mandel- und vielleicht sogar leichte Kaffeenoten und die unverkennbaren Aromen von Rosinen- oder Sultaninen.
Ich durfte entdecken und erschmecken was eindeutig eine Seltenheit ist, was meinen Weinhorizont extrem erweitert und bereichert hat. Sicherlich spielt die Qualität des Ursprungsweins hierbei die größte Rolle. Im Archivweinkeller von Puklavec & friends liegt in jedem Fall der ein oder andere Schatz – einen Blick auf die Website und die Suche nach einem bestimmten Jahrgang lohnt auf jeden Fall.