Thessaloniki hat zu meiner Schande bisher auf meinem (Reise)-Radar maximal als Name existiert. Ich hatte kaum ein Bild von der Stadt im nördlichen Griechenland, das ganze Reiseland habe ich sträflichst vernachlässigt, seit ich mit zwölf Jahren meine Eltern in einen Ferienclub auf Kreta begleitet habe. Nun war ich im Rahmen einer Reise zum Sani Gourmet Festival dort und hatte zum Glück die Gelegenheit, wenigstens ein paar Stunden in Thessaloniki zu verbringen – vor allem auf dem Mondiano Markt.
Nur für einen flüchtigen Blick hat es gereicht, auf die geschichtsträchtige Stadt, die so viele Kulturen vereint, weil sie so vielen jener schon eine Heimat bot und noch bietet. Entsprechend vielfältig sind die Einflüsse auf die Küche: Jüdische, arabische und mediterrane Esskultur findet hier den perfekten Schmelztiegel.
Wie sollte es sein, war die Kulinarik auch das Thema unserer vormittäglichen Tour durch die zugleich agile wie entspannte Atmosphäre des Marktviertels von Thessaloniki. So oft spricht man auf Reisen, mit alten und neuen Bekannten über ihre Herkunft, über erkundete Städte und einigt sich darauf, dass man gerade Metropolen zumeist entweder liebt oder nie mit ihnen warm wird, und zwar im ersten Moment.
Thessaloniki hat mich in ihr farbenfrohes, ursprüngliches, vielfältiges und herrlich unprätentiöses Herz geschlossen, schon auf dem Weg zum Markt, wo getrocknete Kräuter und Blumen das Tor zu einer Welt aus Oliven, Honig, frischem Fisch und echtem Feta schmücken.
Mit Herzblut gepflegte Food-Kultur ist gleichermaßen großgeschrieben wie selbstverständlich in Thessaloniki (und sicher ganz Griechenland), die Stadt mit über einer Millionen Einwohnern sei der absolut beste Ort für kulinarisch Interessierte, sagt man uns, und das bezweifelt keiner. Das süße und herzhafte Gebäck zum griechischen Kaffee samt Zukunfts-Weissagung ist deliziös, an jeder Straßenecke gibt es frische Sesam-Kringel für 50 cent pro Stück und ein Restaurant sieht einladender als das nächste aus. Ein ganzes Viertel mit Bars, Bistros und Geschäften gibt es zu erkunden, leider nicht für uns, nicht an diesem Tag.
Die Krise hat ihre Spuren hinterlassen, das hört man immer wieder durch. Dennoch: die Marktleute sind optimistisch, stehen zu ihrem Geschäft, ihren Produkten und ihrer Leidenschaft – auch in der einst wunderschönen aber mittlerweile fast leeren, heruntergekommen alten Markthalle. Schon vor der Krise seien die Geschäfte hier zurück gegangen, erzählt der sympathische Kaffee-Röster – die Renovierung hätte vor Jahrzehnten angegangen werden sollen.
Wir essen Taramas, eingelegte Sardinen und saure Pickles aus Plastikschalen im Stehen, trinken Tsipouro dazu und könnten uns nicht wohler fühlen. Auf der Straße sitzen die Leute in der Sonne, genießen ihren Kaffee – Touristen scheinen sich hier kaum zu verirren, wie angenehm!
Thessaloniki ist eine Stadt, in der man einfach sein möchte – keine, in der man ein Sightseeing-Programm abarbeitet (aber wer will das schon..). Ich will zurück, für ein paar Tage mindestens. Eine Küche brauche ich dazu, viel Zeit zum durch die Gassen streifen, noch mehr für Köstliches vom Markt, oder ein ausgedehntes Abendessen in einem der einladenden Restaurants in der sanften Abendsonne.
Food Tour mit “Culinary walks Eatandwalk” zum Mondiano Markt und zum Kapani Markt.